wissenswertes

DIE GESCHICHTE VON BOOS UND REICHAU

Geschichte von Boos

Der Ort Boos dürfte gleichzeitig mit oder kurz nach den -ingen Orten gegründet worden sein, also wohl zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert. Um 800 n. Chr. wird die Pfarrkirche dem Frankenheiligen Sankt Martin geweiht. Feyerabend nennt das Dorf Boos 1084 im Besitz von einigen Kriegs- und Dienstleuten. 1170 werden Dietrich und Friedrich von Boos im Ottobeurer "Vasallen- und Ministerialenverzeichnis" erwähnt. In den folgenden Jahrhunderten hatte die Gemeinde in ihrer wechselvollen Geschichte verschiedene Patronatsherren. Bekannt sind 1371 die Ritter von Freyberg als Inhaber des Dorfes, belehnt vom Fürststift Kempten. Die Gebrüder Friedrich und Heinrich von Freyberg verkauften 1402 ihren Booser Besitz an die Memminger Patrizier Hans Egloffer und Märk Zwicker, wobei letzterer 1405 seinen Anteil an Konrad Amman weiter verkauft. Durch Erbe und Heirat erlangten die Familien Besserer und 1506 Johann Stebenhaber die Herrschaft über Boos. Ludwig Stebenhaber verkaufte Boos und Unterreichau 1551 an den Freiherrn Anton Fugger von Babenhausen. Zwischen 1620 bis 1777 regierten und wohnten fünf Fuggergrafen mit ihren Familien im Booser Schloss.

Kirche St. Martin BoosHerbert Schlatterer
Kirche St. Martin Boos

Die sogenannte Bergkapelle wurde 1627 vom Johann III (d.Ä.) Graf Fugger erbaut. Beim Neubau der Barockkirche Sankt Martin von 1711 bis 1713 durch den Baumeister und Stukkator Michael Stiller von Ettringen blieben der Turm vom 14./15. Jahrhundert und Teile der Chorsüdwand von der Vorgängerkirche erhalten. Die Booser Gräfin und Witwe Johanna Katharina Fugger, geborene Komtess von Waldburg-Zeil, ließ dazu auch einen neuen Hochaltar von Ignaz Waibl (dem Schöpfer des Buxheimer Chorgestühls) errichten. 1709 hatte sie im Schloss die alte Kapelle durch einen Schlosskapellen-Neubau ersetzen lassen, welcher 1771 erweitert und eingeweiht wurde. Als Christoph Moritz Graf Fugger 1777 stirbt, erbt sein seit 1759 in Babenhausen regierender Bruder Anselm Victorian Graf Fugger die Herrschaft Boos mit Reichau und Heimertingen. Damit sind die ehemals getrennten Herrschaften unter dem Namen Fugger-Babenhausen vereint. Die ehemalige Residenz des Booser Fuggerschlosses wird 1859/60 umgebaut und dienen fortan den Schlossgutpächtern als Kuh- und Pferdestall. Die Räume des Booser Oberamtes finden nun als Wohn- und Gasthaus "Bräuhaus" ihre Nutzung. Bis Anfang des 20. Jahrhundert werden weitere Gebäudeteile rund um die Schlossanlage abgebrochen, sodass die restliche renovierungsbedürftige Anlage heute nur noch einem Gutshof ähnlich sieht. 1806 erfolgte durch die bayerische Landesdirektion die königliche Zivilbesitzergreifung in Boos und 1819 mussten die Fugger auch die Dorfgerichtsbarkeit an das Königreich Bayern abgeben. Als 1848 in Bayern die kommunale Selbstverwaltung eingeführt wurde, endete damit auch die Fuggerherrschaft.

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Sebastian Kneipp von 1853 bis 1854 hier als Kaplan wirkte. Als im Sommer 1854 die Cholera ausgebrochen war, heilte er in Boos alle Erkrankten. Dies brachte ihm den Beinamen "Cholera-Kaplan" ein, er wurde als "Wundermandl" bekannt, aber auch leider nach Augsburg versetzt, weil diese Tätigkeit seinen Vorgesetzten nicht gefallen hat. Heute erinnert ein Kneippbrunnen am Dorfplatz und eine Wassertretanlage am Waldrand an den berühmten Pfarrer.

Von überregionaler Bedeutung war die ehemalige Lehr- und Versuchsanstalt für Weichkäserei und Butterbereitung von 1902 bis 1973. Als ihr Markenzeichen wurde die Booser Eule bekannt. In hiesigen Käsereischule wurden in 71 Jahren insgesamt 12.750 Meister und Gehilfen des Molkereifachs, nicht nur aus Bayern, aus- und weitergebildet.

Daneben kann die Gemeinde eine Anzahl stattlicher Bauernhöfe aufweisen, deren Ursprünge zum Teil bis ins ausgehende Mittelalter zurück verfolgbar sind. Aus dem ehemals bäuerlich strukturierten Dorf hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine aufstrebende Gemeinde entwickelt, in der es ein gesundes Miteinander von Landwirten, Arbeitnehmern, Handwerkern und Selbständigen gibt. Seit 1978 ist Boos Sitz der gleichnamigen Verwaltungsgemeinschaft. Neben der schönen waldreichen Umgebung der Gemeinde, die zur Erholung einlädt, bieten zahlreiche Vereine die Möglichkeit zu vielseitiger Freizeitgestaltung.

Geschichte von Reichau

Das Dorf gliedert sich gemäß seiner geographischen Lage in die beiden Teile Oberreichau und Unterreichau. Auf erste Besiedlungen aus der Zeit vor dem 6. Jahrhundert weist eine Erdburg nördlich des Dorfes hin, die keltischen Ursprungs ist. Ab 800 n. Chr. ließen sich Alemannen in diesem Gebiet nieder, wie die Anlage von sog. Hochäckern (erste Ackerformen) östlich des Dorfes beweist. Reichau hatte im Laufe der Jahrhunderte mehrere Patronatsherren. Das Geschlecht der Ritter von Rychen (von Reichau) bewohnte die ehemalige Burg in Oberreichau vom 9. bis 14. Jahrhundert. Später gelangte die Burg in den Besitz der Ritter Schweickart, nach dem Tode des letzten Nachkommens 1542 verfiel die Burg.

Unterreichau kam wie Boos im Jahre 1551, Oberreichau schließlich 1581 unter die Herr­schaft der Fugger. Mit der Einführung der kommunalen Selbstverwaltung 1848 wurde der Ort eigenständig und gehörte zuletzt zum Altkreis Illertissen. Im Zuge der Gebietsreform schloss sich Reichau 1975 freiwillig der Gemeinde Boos an.

Kirche St. Anna ReichauHerbert Schlatterer
Kirche St. Anna Reichau

Die neugotische Pfarrkuratiekirche Sankt Anna in Reichau mit ihrem 41 m hohen Turm stammt aus dem Jahre 1868/69, geplant wurde sie vom Kreisbaubeamten Lorenz Hoffmann, der Baumeister war Max Treu aus Augsburg. Zuvor wurde die aus dem Jahre 1721 stammende baufällige St. Anna Kapelle im März 1868 abgebrochen.

 

Text und Bilder von Herbert Schlatterer

HEIMATGESCHICHTE

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DIE BOOSER EULE

Zwischen 1902 und 1973 gab es in Boos eine Molkerei-Lehr- und Versuchsanstalt des milchwirtschaftlichen Vereins im Allgäu. Die kleine Lehrsennerei entwickelte sich zu einer bedeutenden Ausbildungsstätte für Weichkäse und Butterbereitung, deren Ruf sich weit über Bayerns Grenzen ausdehnte. In 71 Jahren wurden 12.688 Meister und Gehilfen des Molkereifachs aus- und weitergebildet.

Lehrsennerei 1902-1941
Lehrsennerei 1902 - 1941
Lehr- u. Versuchsanstalt für Weichkäserei und Butterbereitung in Boos 1941-1973
Lehr- u. Versuchsanstalt für Weichkäserei und Butterbereitung in Boos 1941-1973
erstes Schulungsgebäude 1925-1941
erstes Schulungsgebäude 1925 - 1941

Im Jahre 1941 wurden die neuen Schul- und Molkereibetriebsgebäude fertiggestellt. Die Lehrmolkerei besaß mit ihren Einrichtungen alle Voraussetzungen für Weichkäserei und Butterbereitung, so dass die wichtigsten Allgäuer Käsesorten in bester Güte hergestellt wurden, was zahlreiche Preise belegten.

Eingetragenes Warenzeichen für Molkereierzeugnisse der Lehranstalt Boos
Eingetragenes Warenzeichen für Molkereierzeugnisse der Lehranstalt Boos

1952 erreichte unsere Anstalt alle Qualitätsvoraussetzungen und Rechte zur Führung eines Markenzeichens und so entstand die „Booser Eule“. Schon im Altertum galt die Eule als Symbol der Wissenschaft und der Forschung, deshalb wurde sie gewählt. Die Eule passt besonders gut für die Booser Molkerei- Lehr- und Versuchsanstalt, weil in ihr nicht nur gelehrt, sondern auch Käsetechnologie vermittelt wurde.

 

Autor: Herbert Schlatterer

SEBASTIAN KNEIPP IN BOOS

Sebastian Kneipp
Sebastian Kneipp

Am 20. Januar 1853, seinem Namenstag, wurde der 31jährige Sebastian Kneipp als Kaplan nach Boos versetzt. Der damalige Pfarrer Joseph Reiser war schwer erkrankt, so dass nahezu die ganze seelsorgerische Arbeit durch den Kaplan Kneipp besorgt werden musste. 
Aus seiner Booser Amtszeit ist die älteste Kurvorschrift für die Jungfrau Columba Haas aus Kronburg überliefert. Hier hatte er erstmals Wickel eingesetzt und verschiedene Anwendungen seiner Wasserheilkunde kombiniert. 
In der Selbstbiographie schreibt Kneipp, auf die Tätigkeit in Boos zurückschauend: "In Boos hatte ich mit der Seelsorge genug zu tun, und wenn ich alles aufgeboten habe, von den Kranken frei zu werden, so war es mir doch nicht möglich; es gab so viele Arme und Hilflose".

Sebastian Kneipp beschäftigte sich hier vielfach mit Wasserheilmethoden, wobei er sich die Feindschaft von Herrn Dr. med. Mannheimer aus Fellheim und von Herrn Apotheker Semmelbauer aus Babenhausen zuzog, die ihn beide im Feb. 1854 beim Kgl. Landgericht in Babenhausen auch wegen dieser Angelegenheit verklagten. 
Sowohl bei der geistlichen als auch der weltlichen Behörde wurde gegen den Herrn Kaplan Stimmung gemacht. Kneipp reichte am 2. April 1854 eine Verteidigungsschrift beim Kgl. Landgericht Babenhausen ein. Der Freispruch lautete: "Kurieren Sie die, welche keine Hilfe bekommen oder kein Geld haben, um Hilfe zu suchen und seien Sie ein Helfer in der Not". 
Die von Eugen Ortner in dem Roman "Ein Mann kuriert Europa" erfundene Verurteilung zu zwei Gulden Polizeistrafe hat es nie gegeben. Ortner berichtet auch von drei Cholera-Toten in Boos, was sich jedoch wegen der fehlenden Daten im "Sterbe-Register" aus dem Jahre 1854 eindeutig widerlegen lässt.

Kaplan Kneipp wurde zwischen Juli und August 1854 zu einer Booser Magd gerufen, die an der damals herrschenden Cholera erkrankt war. Kneipp ließ ein großes Leinentuch in heißes Wasser mit Essig tauchen und der Magd auf den Leib legen. Nach sechs Minuten waren die Krämpfe verschwunden, das Erbrechen hörte auf, ebenso das Abführen. Dieses einfache Mittel, drei- bis viermal wiederholt, heilte die Kranke. Durch die Behandlung von Kaplan Sebastian Kneipp starb kein Booser Bürger an Cholera. Deshalb erhielt er den Beinamen "Cholera-Kaplan" und wurde als "Wundermandl" bekannt. 
Vor dem Königlichen Landgericht in Babenhausen wurde Kneipp am 15. Juli 1854 als Pfarrvikar zu Boos vereidigt und eingesetzt. Drei Tage später setzte das Bischöfliche Ordinariat Augsburg den Vikar von Holzkirchen C. Lindinger in Boos als Vikar ein, dieser starb jedoch am 15.08.1854 im Alter von 28 Jahren. Kneipp blieb Kaplan, weil die Vorgesetzten seine Heiltätigkeit missbilligten. Tragisch war, dass Kneipp in Boos die Cholera erfolgreich bekämpfte, im September 1854 sein Vater im Alter von 56 Jahren in Stephansried jedoch an dieser Krankheit starb. 
Am 23. November 1854 um ½ 8 Uhr hielt Kaplan Sebastian Kneipp in Boos seine letzte Beerdigung; bereits am nächsten Tag wurde er als dritter Stadtkaplan nach St. Georg in Augsburg versetzt. 
Pfarrer Kneipp verfügte in seinem Testament u. a. die Stiftung einer Jahresmesse in der Pfarrkirche Boos, weil er auch an diesem Ort lebte und wirkte.

 

werke

Bienenbüchlein, 1874
Die Kaninchenzucht, 1874
Fritz, der fleißige Landwirt, 1874
Fritz, der fleißige Futterbauer, 1875
Fritz, der eifrige Viehzüchter, 1877
Meine Wasserkur, 1886
So sollt ihr leben, 1889
Kinderpflege in gesunden und kranken Tagen, 1891
Ratgeber für Gesunde und Kranke ,1891
Lebenserinnerungen, in: Keipp-Bll., 1891 (in Fortss. ersch., Ausgabe in Buchform von: Josef Retz/Hrsg., Mein Leben, 1949)
Mein Testament für Gesunde und Kranke, 1894
Codizill zu meinem Testament ..., 1896

Die 5 Säulen der Kneipp-Therapie

1. Wasser:
Die Heilkraft des Wassers - von Kneipp wiederentdeckt - wurde systematisch optimiert und wissenschaftlich belegt. Kalt- und Warmreize als ideales Training für die Blutgefäße und Nerven der Haut und der inneren Organe sind die Grundlage der Kneipp-Therapie.
2. Heilpflanzen:
Die Wirksamkeit der pflanzlichen Heilmittel und Arzneien aus der Natur ist unbestritten. Die zumeist milden Wirkungen erlauben die erforderliche Anwendung ohne schwere Nebenwirkungen.
3. Bewegung:
Zur Kneipp-Heilweise gehört ein klassisches Trainingsprogramm für vernachlässigte Funktionen unseres Organismus. Zur Trainingswirkung der Wasserreize und zur unterstützenden Wirkung der Arzneipflanzen kommt so die aktive Bewegung.
4. Ernährung:
Die Ansprüche, die Sebastian Kneipp an eine gesunde, ausgewogene und nahrhafte Kost stellt, stimmen mit der modernen Ernährungslehre überein. Schmackhaft, leicht, vielseitig und möglichst naturbelassen ist die einfache Kost in der Kneipp-Heilweise.
5. Ordnung:
Kneipp als Vorkämpfer der vernünftigen Ganzheitstherapie war sich sicher: Leib und Seele sind eine untrennbare Einheit, gerade wenn es um Gesundheit oder Heilung geht. In der Kneipp-Idee werden daher die biorhythmischen Ordnungen unseres Lebens ebenso beachtet wie die Kräfte, die unsere Seele stärken.

Herbert Schlatterer

Kneipp-Brunnen
Kneipp-Brunnen in Boos

LUFTAUFNAHMEN BOOS 1938 und 1984

Boos Luftaufnahme 1938
Boos Luftaufnahme 1938
Boos Luftaufnahme 1984
Boos Luftaufnahme 1984